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https://www.startnext.com/alle16laender-2200km-radreport - und wie es zu dieser Idee kam:
Grenzüberfahrung, Grenzerfahrung, Grenzöffnung
Warum ich mich im Juni 2019 mit dem Rennrad auf eine 2.200 Kilometer lange Strecke durch alle deutschen Bundesländer begebe.
Einer fixen
Idee zu folgen, klingt zunächst harmlos. Oder gar erfrischend forsch: Münzt man
eine fixe Idee auf die Arbeitswelt, wird sie gern mit Zielstrebigkeit assoziiert,
oder mit einem erfolgreichen Startup womöglich. Im
Privaten zeigt sich eine Idée fixe
nach außen hin vielleicht nur als Schrulle oder Spleen. Absonderliches oder Pathologisches
einer fixen Idee tut die Außenwelt gern mit Kopfschütteln ab, oder mit gutmütigem
Humor.
So ist es mir ergangen.
Ich, Holzkopf
Fix macht
manchmal fertig. Wo eine Idee permanent Wurzeln schlägt, gleicht sie einer
parasitierenden Mistel, die ihren Senker ins Kambium des hölzernen Wirts
schlägt. Das Eigenleben der Idee ist nun siamesisch vereint mit dem ihres Wirts.
Das zehrt an dessen Kräften, bietet aber Chancen: Das Spiel von Abwehr und Arrangement
mit der parasitierenden Idee mobilisiert die Kreativität.
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Checkpoint Harry, Boizenburg; Foto:
Niteshift, Creative Commons attribu-
tion-share alike 3 Unported License.
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Im Mai 2018 hole ich eine einst versäumte Schullektüre nach: den „Steppenwolf“.
Im Juni, unterwegs in Mecklenburg, materialisiert sich sein Alter Ego, Harry. Checkpoint Harry, an
der einstigen Grenze der DDR. Ich fühle mich betroffen, angesprochen von einer
Idee, die ich noch nicht zu formulieren vermag. Was mache ich nur mit dieser
Mistel in meinem Kopf?
Eine Mistel namens Steppenwolf
Ha Ha. Das
liest sich wie ein hämisches Lachen. Zugleich sind das die Initialen von
Hermann Hesse. Oder von Harry Haller, Hesses „Steppenwolf“ im gleichnamigen
Roman. Hermann H. und Harry H. – beide sind Leidende, in deren Innerstem
seelisches Chaos regiert. Unrast ist ihr Credo. Innere Befriedung gelingt Ha Ha
immer dann, wenn, unvermittelt und unvermutet, akute Betroffenheit die
Entzündungsränder chronischen Leidens lindert.
Vor Jahren hat sich in mir die Idee festgesetzt, dass
Rennradrouten nicht immer hübsche Land- oder Gebirgspartien sein müssen. Warum
darf eine vernünftige Radreise nicht die Metropolen einbeziehen? Als ich 2015
nach Lübeck ziehe, bahntechnisch weder weit von Berlin noch von Hamburg,
schlage ich der Redaktion das Thema „Intercity“ vor. Ich bekomme den Zuschlag
der Redaktion.
Berlin, Olympiastadion; Foto: Martin Roos |
Im Juni 2018 fahre aus dem Zentrum Berlin heraus über Brandenburg
und Mecklenburg bis ins Zentrum Hamburgs. Nach 210 Gesamtkilometern lasse ich
das letzte Städtchen Mecklenburgs hinter mir, Boizenburg.
Aber bevor ich nach
Holstein hinüberfahre, stoße ich an der ehemaligen Abfertigungsbarracke der
DDR-Grenze auf den „Checkpoint Harry“, heute Gaststätte und Partyservice.
Mit dem Steppenwolf im Hinterkopf braut sich eine weit größere
Unruhe zusammen, als sie durchs bloße Gemahnen an einstige Grenz-Kontrollpunkte
offenkundig wäre. Noch am selben Tag weiß ich: Für mich verweist die
Überfahrung einstiger Grenzen auf zukünftige Grenzüberfahrungen hin, die auch
Grenzerfahrung sein soll. Erfahren möchte ich dabei nicht nur mich selbst –
sonst ende ich noch als Steppenwolf. Erfahren will ich:
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