16. November 2018

Alle 16 Länder mit dem Rennrad - Crowdfunding am Start

Mehr Routen-Infos auf tinyurl.com/2019alle16

https://www.startnext.com/alle16laender-2200km-radreport - und wie es zu dieser Idee kam:



Grenzüberfahrung, Grenzerfahrung, Grenzöffnung

Warum ich mich im Juni 2019 mit dem Rennrad auf eine 2.200 Kilometer lange Strecke durch alle deutschen Bundesländer begebe.

Einer fixen Idee zu folgen, klingt zunächst harmlos. Oder gar erfrischend forsch: Münzt man eine fixe Idee auf die Arbeitswelt, wird sie gern mit Zielstrebigkeit assoziiert, oder mit einem erfolgreichen Startup womöglich. Im Privaten zeigt sich eine Idée fixe nach außen hin vielleicht nur als Schrulle oder Spleen. Absonderliches oder Pathologisches einer fixen Idee tut die Außenwelt gern mit Kopfschütteln ab, oder mit gutmütigem Humor.

So ist es mir ergangen.

Ich, Holzkopf

Fix macht manchmal fertig. Wo eine Idee permanent Wurzeln schlägt, gleicht sie einer parasitierenden Mistel, die ihren Senker ins Kambium des hölzernen Wirts schlägt. Das Eigenleben der Idee ist nun siamesisch vereint mit dem ihres Wirts. Das zehrt an dessen Kräften, bietet aber Chancen: Das Spiel von Abwehr und Arrangement mit der parasitierenden Idee mobilisiert die Kreativität.

Checkpoint Harry, Boizenburg; Foto: 
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Im Mai 2018 hole ich eine einst versäumte Schullektüre nach: den „Steppenwolf“. Im Juni, unterwegs in Mecklenburg, materialisiert sich sein Alter Ego, Harry. Checkpoint Harry, an der einstigen Grenze der DDR. Ich fühle mich betroffen, angesprochen von einer Idee, die ich noch nicht zu formulieren vermag. Was mache ich nur mit dieser Mistel in meinem Kopf?

Eine Mistel namens Steppenwolf

Ha Ha. Das liest sich wie ein hämisches Lachen. Zugleich sind das die Initialen von Hermann Hesse. Oder von Harry Haller, Hesses „Steppenwolf“ im gleichnamigen Roman. Hermann H. und Harry H. – beide sind Leidende, in deren Innerstem seelisches Chaos regiert. Unrast ist ihr Credo. Innere Befriedung gelingt Ha Ha immer dann, wenn, unvermittelt und unvermutet, akute Betroffenheit die Entzündungsränder chronischen Leidens lindert.

Vor Jahren hat sich in mir die Idee festgesetzt, dass Rennradrouten nicht immer hübsche Land- oder Gebirgspartien sein müssen. Warum darf eine vernünftige Radreise nicht die Metropolen einbeziehen? Als ich 2015 nach Lübeck ziehe, bahntechnisch weder weit von Berlin noch von Hamburg, schlage ich der Redaktion das Thema „Intercity“ vor. Ich bekomme den Zuschlag der Redaktion.
Berlin, Olympiastadion; Foto: Martin Roos

Im Juni 2018 fahre aus dem Zentrum Berlin heraus über Brandenburg und Mecklenburg bis ins Zentrum Hamburgs. Nach 210 Gesamtkilometern lasse ich das letzte Städtchen Mecklenburgs hinter mir, Boizenburg. 



Aber bevor ich nach Holstein hinüberfahre, stoße ich an der ehemaligen Abfertigungsbarracke der DDR-Grenze auf den „Checkpoint Harry“, heute Gaststätte und Partyservice.




Mit dem Steppenwolf im Hinterkopf braut sich eine weit größere Unruhe zusammen, als sie durchs bloße Gemahnen an einstige Grenz-Kontrollpunkte offenkundig wäre. Noch am selben Tag weiß ich: Für mich verweist die Überfahrung einstiger Grenzen auf zukünftige Grenzüberfahrungen hin, die auch Grenzerfahrung sein soll. Erfahren möchte ich dabei nicht nur mich selbst – sonst ende ich noch als Steppenwolf. Erfahren will ich: 


Was treibt die Deutschen um im Deutschland dreißig Jahre nach dem Fall der Mauer?

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